In der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 2019 ist im Alter von 50 Jahren Joachim Domann, besser bekannt unter seinem Spitznamen Schmutz, in Stuttgart gestorben. In der Stadt am Neckar war er vielen Menschen durch sein extravagantes Äußeres bekannt. Man traf ihn auf Punk- und Indykonzerten, im „Schlesinger“, bei nicht-kommerziellen Festivals wie dem Umsonst und Draußen und zuletzt auch bei Kunstausstellungen und Vernissagen. Ein gefühlvoller Nachruf von Uwe Bogen in der Stuttgarter Zeitung vom 1. Juni 2019 würdigt ihn als „Paradiesvogel“ und lässt den Wirt und Kunstfreund Bernd Heidelbauer zu Wort kommen, der einst in New York lebte und Schmutz in High Heels und Strapsen in der Stuttgarter Straßenbahn kennenlernte. Beide Männer freundeten sich an. „Solche Typen wie ihn habe ich selbst in New York nicht gesehen“ sagt er. Zuletzt arbeitete Schmutz mit einer Stuttgarter Fotografin an einem Projekt zum Thema Fetisch. Sie dürfte damit der Mensch sein, der die letzten Bilder von Schmutz angefertigt hat. Auf seinem Facebook-Profil zeigte er sich selbst gerne in den unterschiedlichsten erotischen Outfits und Posen.
Doch Schmutz war nicht nur ein Zerstörer von bürgerlichen Konventionen im Interesse eines freien und selbstbestimmten Lebens. In den frühen 1990er Jahren gehörte er zu den aktivsten anarchistischen und anarcho-syndikalistischen Genossen Stuttgarts. Aufgewachsen in einem Heim kam er durch die Buchempfehlung eines Erziehers zum Anarchismus und schloss sich 1990 der damals kleinen Gruppe der anarcho-syndikalistischen Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) an. Hier lernten wir uns kennen und schätzen und in den nächsten Jahren verging keine Woche ohne gemeinsame Aktivitäten. Am Aufstieg des Anarchismus in Stuttgart zu dieser Zeit hat Schmutz durch seine offene, bestimmte und freundliche Art seinen Anteil. Schmutz gehörte zu den zuverlässigsten Genossen und war Gründungsmitglied der 1990 gebildeten Anarcho-Syndikalistischen Jugend (ASJ) Stuttgart, die wenig später mehrere dutzend Angehörige in der Stadt und dem Umland umfasste und in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen wirkte. Die Zeit damals war geprägt von einem ständig wachsenden Naziterror gegen Ausländer und Linke, der mit der Wiedervereinigung und dem Aufstieg der rechtsradikalen Republikaner einherging.